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isabellkrueger8

Beobachtungen in Bosnien Herzegowina / Observations in Bosnia Herzegovina



Kaffee, Kaffee, überall Kaffee! Der bosnische Kaffee ist ein absolutes Highlight. Ich bin kein Kenner und nie durch übermäßigen Kaffeekonsum aufgefallen, doch hier entfaltet sich langsam, aber sicher nie dagewesen geglaubtes Suchtpotential. Egal ob schwarzer Kaffee oder Cappuccino, an jeder Ecke schmeckt es gleich und immer gut. Bosnien Herzegowina pflegt eine ausgeprägte Kaffeekultur, das Café ist DER Treffpunkt. Mit dem geliebten Heißgetränk in der Hand wird gequatscht, geschnattert, diskutiert, gefrönt und entspannt. Das ist womöglich sehr weit hergeholt, aber manchmal glaube ich, dass die Menschen nach den schrecklichen Kriegsjahren, unter denen nahezu alle leiden mussten, das Leben entspannter und entschleunigter angehen. Und dazu gehört nun mal ein guter Kaffee. Aber Vorsicht: Bestellt man hier einen herkömmlichen Kaffee, bekommt man einen (saustarken) Espresso, der mich – zumindest zu Beginn – regelmäßig aus den Latschen gehauen hat.

Nur Bares ist Wahres – das gilt besonders in Bosnien Herzegowina. Man zahlt fast ausnahmslos in bar. Während man in anderen Ländern (fast) immer gefragt wird: „Cash or card?“ (Bar oder mit Karte), passiert das hier so gut wie nie. Sogar Mietwagen, Unterkünfte für Wochenendausflüge, Autoreparaturen usw. werden ausschließlich in bar bezahlt. Zückt man beispielsweise im Drogeriemarkt oder beim Wocheneinkauf die Kreditkarte, wird das zwar akzeptiert, ein kleines Naserümpfen über diesen modernen Schnickschnack beobachte ich allerdings häufiger. Deshalb gilt: Immer genügend bosnische Mark in der Tasche haben. Wer die Fünf-Mark-Münze aus Voreurozeiten vermisst – in Bosnien Herzegowina gibt es sie noch.

Geht man am Wochenende in einen Club, wartet man vergeblich auf die gewohnte (kommerzielle) Tanzmusik, zumindest wenn man nach Mitternacht kommt. Denn dann wird ausnahmslos landeseigene Musik gespielt, von den Einheimischen auch „Soulmusik“ bezeichnet. Einerseits ungewohnt, andererseits kommt man so in den Genuss einheimischer Musik und kann dabei beobachten, wie der ganze Club die Lieder mit grölt, textsicher sind sie alle. Wie bekannt, lässt sich über Geschmäcker durchaus streiten, andererseits komplettiert es das Erlebnis Bosnien Herzegowina und tanzbar ist es allemal.

Das Obst- und Gemüseangebot in Bosnien-Herzegowina ist eher überschaubar. Ich wäre in der Lage, täglich 10 Kilo Kartoffeln, Zwiebeln und Weißkohl zu erwerben, nach einem frischen Salatkopf beispielsweise muss ich allerdings länger suchen. Während der Obst- und Gemüsestand in Deutschland meist keine Wünsche offen lässt, sucht man Vielfalt in Bosnien Herzegowina häufig vergeblich – wobei das auch an der Jahreszeit liegen könnte. Das Land baut hauptsächlich für den eigenen Verbraucher an. Aufgrund kurzer Lieferwege ist eine aufwändige Behandlung von Obst und Gemüse vor und nach der Ernte damit obsolet und das schmeckt man durchaus. Äpfel und Birnen, Gurken, Tomaten und vor allem der hellgrüne Paprika schmecken mir viel besser als in Deutschland, das macht die fehlende Vielfalt, welche man auch als unnötigen Überfluss bezeichnen kann, mehr als wett.

Wer Lust auf süßes Popcorn hat, sucht hier meist vergeblich. Denn die Bosnier lieben salziges oder herzhaftes Popcorn. Im Supermarkt findet man es in allen Varianten ob klassisch salzig, mit Chilipulver oder mit Hähnchengeschmack… Ja ihr lest richtig. Nur in Kinos bekommt man süßes Popcorn und ganz vereinzelt im Supermarkt, dann aber eher mit Karamell überzogen – gewöhnungsbedürftig.

Egal ob in Sarajevo, Tuzla oder Brčko, Fußgängerampeln gehören zwar zum gewöhnlichen Straßenbild, genutzt werden aber vielmehr die unzähligen Fußgängerüberwege ohne Ampel. Das erspart unnötiges Warten. Und hier gilt das Motto als Fußgänger: „Einfach laufen, niemals stehenbleiben“. Ignoriert man als Autofahrer die Fußgängerüberwege, hat das empfindliche Strafen zur Folge. Deshalb halten sich (fast) alle Autofahrer dran und als Fußgänger lebt es sich relativ ungefährlich bei zügigem Vorankommen. Zur Beschaffenheit der hiesigen Straßen lässt sich sagen, dass die Qualität durchaus gut ist. In den Bergen quält man sich auch mal über eine „Huckelpiste“, grundsätzlich ist das Straßennetz in Bosnien Herzegowina aber gut ausgebaut. Es wird mit Risiko überholt, auch in Kurven, als ob man weiß, dass die Gegenfahrbahn auch hinter der Kurve GANZ SICHER frei ist. Dabei entsprechen die Fahrkünste vieler Autofahrer nicht ansatzweise der Risikofreude. Aber vielleicht ist das auch nur meine persönliche Wahrnehmung, die Wahrnehmung einer Autofahrerin, die laut ihres Vaters ein Aggressionsproblem hinter dem Steuer hat.

In allen Städten, so auch in Brčko findet man den geliebten dm Drogeriemarkt. Es fehlt also an nichts, das Angebot ist nahezu das gleiche. Viele Produkte haben deutschsprachige Verpackungen, einzig die Beschreibungen zur Anwendung sind in Landessprache. Da kommt fast ein wenig Heimatgefühl auf, aber nur fast. Trotzdem auffällig, dass man Julia und mich in den ersten beiden Wochen mindestens drei Mal pro Woche im hiesigen dm antrifft.

Was in Bosnien Herzegowina besonders auffällt, ist die hohe Anzahl an freilaufenden Hunden und Katzen auf den Straßen. Ein Teil der Tiere trägt ein Halsband, was die Vermutung nahelegt, dass besonders Hunde nicht wie Haustiere gehalten werden. Stattdessen lässt man sie tagsüber freilaufen. Sieht man einen Hund die Straße überqueren, hält man kurz die Luft an.

Abschließend komme ich nicht umher, etwas über die Menschen in Bosnien Herzegowina, speziell in Brčko zu schreiben. Zunächst mal … Bosnien Herzegowina ist KEIN Kriegsgebiet mehr. Es ist ein sicheres Reiseland mit abwechslungsreichen und unglaublichen Landschaften, großartigen Altstädten und leckerem Essen. Der Konflikt aus den 90er Jahren wirkt natürlich nach, schon allein aufgrund der Tatsache, dass der Krieg nur 30 Jahre zurückliegt und damit die Mehrheit der Menschen, die älter als 35 Jahre alt sind, in irgendeiner Weise davon betroffen waren und sind. Es gibt einige Dinge, die es zu beachten gilt, zum Beispiel der Unterschied zwischen „Bosnisch“ und „Bosniakisch“. Der Unterschied mag für uns unbedeutend sein, für die hiesige Bevölkerung ist es das jedoch nicht. „Bosnisch“ bezieht sich auf die Nationalität und „Bosniak“ (Muslim) ist eine Ethnie. Bosniaken, Kroaten und Serben können Bosnier sein. Nur Bosniaken sind bosnische Muslime. Auch bei der Bezeichnung der Landessprache kann man für Aufsehen sorgen. Die Landessprache wird nicht als „bosnisch“ bezeichnet, sondern als „lokale Sprache“. In unserem Sprachkurs lernen wir „BHS“ (Bosanski Hrvatski Srpski), da sich die hier vertretenen Ethnien nicht auf EINE Landessprache einigen können. Im Nebensatz sei erwähnt, dass bosnisch, kroatisch und serbisch sehr ähnlich und in vielen Aspekten identisch ist. Die Situation in Bosnien Herzegowina ist kompliziert und wird es wohl auch noch für lange Zeit sein. Persönlich bin ich der Meinung, dass – sofern wir keine familiären Wurzeln oder direkte Verbindung haben – wir nicht das Recht haben, Partei zu ergreifen. Warum ich mich trotz der Situation, in der die bestehenden Spannungen durchaus spürbar sind, sehr wohlfühle, sind die Menschen. Liegt es daran, dass ich Ausländerin bin? Ich weiß es nicht. Aber die Gastfreundschaft, Aufrichtigkeit und Offenheit der hiesigen Bevölkerung sind maßgeblich für den Wohlfühlfaktor. Egal ob in der Lieblingsbäckerei um die Ecke, im Cafè oder im Supermarkt – überall begegnen mir die Menschen äußerst freundlich und fröhlich. Lernt man Einheimische näher kennen – was hier einerseits sehr einfach und andererseits sehr hilfreich ist, erlebt man diese als gesellig, kontaktfreudig und äußerst bodenständig. Sie pflegen starke familiäre Werte und zeigen sich darüber hinaus sehr weltoffen, sie sprechen direkt, was kaum Missverständnisse zulässt. Ich nehme fast ausschließlich eine entspannte Lebenseinstellung wahr trotz strengem Gesichtsausdruck und unabhängig davon, wie schlimm die persönliche Situation sein mag. Braucht man Hilfe, wird geholfen. Geht man auf die Menschen zu, bekommt man eine Menge zurück.


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Coffee, coffee, coffee everywhere! The Bosnian coffee is an absolute highlight. I am not an expert and was never noticed by excessive coffee consumption, but here unfolds slowly but surely addictive potential. Whether black coffee or cappuccino, it tastes the same at every corner and always good. Bosnia and Herzegovina cultivates a distinct coffee culture, the café is THE meeting place. With the beloved hot beverage in hand, people chat, chatter, discuss, indulge and relax. This may be just my impression, but sometimes I think that after the terrible years of war, which almost everyone had to suffer from, people approach life in a more relaxed and decelerated way. And that includes a good cup of coffee. But be careful: If you order a conventional coffee here, you get a (really strong) espresso, which - at least at the beginning - regularly knocked me out.

Only cash counts - this is especially true in Bosnia and Herzegovina. Almost without exception, people pay in cash. While in other countries you are (almost) always asked: "Cash or card?", this almost never happens here. Even rental cars, accommodations for weekend trips, car repairs, etc. are paid exclusively in cash. If, for example, you take out your credit card at the drugstore or when doing your weekly grocery shopping, it is accepted, but I often observe a little grumbling about this modern gadget. Therefore: Always have enough Bosnian Marks in your pocket. If you miss the five-mark coin from pre-euro times, you can still find it in Bosnia and Herzegovina.

If you go to a club at the weekend, you will wait in vain for the usual (commercial) dance music, at least if you come after midnight. Because then, without exception, local music is played, also called "soul music" by the locals. On the one hand, this is unusual, but on the other hand, you can enjoy the local music and watch the whole club bawling along to the songs - they all know the words. Well known, tastes differ, but on the other hand it completes the experience of Bosnia and Herzegovina and it is always danceable.

The fruit and vegetable supply in Bosnia and Herzegovina is rather limited. I would be able to buy 10 kilos of potatoes, onions and cabbage every day, but I have to search longer for a fresh lettuce, for example. While the fruit and vegetable offer in Germany usually leaves nothing to be desired, one often searches in vain for variety in Bosnia and Herzegovina - although this could also be due to the season. The country grows mainly for its own consumers. Because of the short delivery routes, time-consuming treatment of fruit and vegetables before and after harvesting is obsolete, and you can taste it. Apples and pears, cucumbers, tomatoes and especially the light green peppers taste much better to me than in Germany, which more than makes up for the lack of variety, which can also be described as unnecessary abundance.

If you're in the mood for sweet popcorn, you'll usually look in vain here. Bosnians love salty or savory popcorn. In the supermarket you can find it in all variations, whether classic salty, with chili powder or with chicken flavor... Yes, you read correctly. Only in cinemas you get sweet popcorn and very occasionally in supermarkets, but then rather covered with caramel – not really my taste.

Whether in Sarajevo, Tuzla or Brčko, pedestrian traffic lights are part of the usual street scene, but the countless crosswalks without traffic lights are used more often. This saves unnecessary waiting. And here the motto as a pedestrian is: "Just walk, never stop". Ignoring the crosswalks as a car driver results in severe penalties. That's why (almost) all car drivers keep to it and as a pedestrian it's relatively safe to move along at a brisk pace. The quality of local roads is quite good. In the mountains, you sometimes have to struggle over a "bumpy road", but basically the road network in Bosnia and Herzegovina is well developed. Drivers overtake with risk, also in curves, as if they know that the oncoming lane behind the curve is WHOLE SAFELY free. At the same time, the driving skills of many car drivers do not correspond to their willingness to take risks. But maybe that's just my personal perception, the perception of a driver who, according to her father, has an aggression problem behind the wheel.

In all cities, including Brčko, you can find the beloved dm drugstore. So there is nothing missing, the offer is almost the same. Many products have German-language packaging, only the descriptions for use are in the local language. There is almost a little home feeling, but only almost. Nevertheless, it is noticeable that Julia and I were in the local dm at least three times a week during the first two weeks.

What is particularly noticeable in Bosnia and Herzegovina is the high number of free-roaming dogs and cats on the streets. Some of the animals wear a collar, which suggests that dogs in particular are not kept as pets. Instead, they are allowed to run free during the day. If you see a dog crossing the street, you hold your breath for a moment.

Finally, I can't help but write something about the people in Bosnia and Herzegovina, especially in Brčko. First of all ... Bosnia Herzegovina is NOT a war zone anymore. It is a safe travel destination with diverse and incredible landscapes, great old towns and delicious food. The conflict from the 90's of course lingers on, if only for the fact that the war was only 30 years ago and thus the majority of people older than 35 were and are affected in some way. There are some things to note, for example, the difference between "Bosnian" and "Bosniak." The difference may be insignificant to us, but it is not to the local population. "Bosnian" refers to nationality and "Bosniak" (Muslim) is an ethnic. Bosniaks, Croats and Serbs can be Bosnians. Only Bosniaks are Bosnian Muslims. The designation of the national language can also cause a stir. The national language is not called "Bosnian", but "local language". In our language course we learn "BHS" (Bosanski Hrvatski Srpski), because the ethnic groups represented here cannot agree on ONE national language. However Bosnian, Croatian and Serbian are very similar and identical in many aspects. The situation in Bosnia Herzegovina is complicated and probably will be for a long time. Personally, I believe that unless we have family roots or direct connection, we do not have the right to take sides. Why I feel very comfortable despite the situation, where the existing tensions are quite noticeable, are the people. Is it because I am a foreigner? I don't know. But the hospitality, sincerity and openness of the local population are decisive for the feel-good factor. Whether in my favorite bakery around the corner, in the café or in the supermarket - everywhere I go, people are extremely friendly and cheerful. If you get to know locals better - which is very easy here on the one hand and very helpful on the other - you experience them as sociable, outgoing and extremely down-to-earth. They cultivate strong family values and also show themselves to be very cosmopolitan; they speak directly, which hardly allows any misunderstandings. I perceive almost exclusively a relaxed attitude to life despite stern facial expressions and regardless of how bad the personal situation may be. If you need help, help is given. If you approach people, you get a lot back.

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